Über mich und meinen Werdegang

Studium in Zehlendorf und Dahlem

1972 begann ich mein Theologiestudium in Berlin, an der Kirchlichen Hochschule in Zehlendorf und am Seminar für Evangelische Theologie der Freien Universität in Dahlem. Im Nebenfach studierte ich Religionswissenschaft an der FU bei Klaus Heinrich. Meine Heimatgemeinde fand ich in dieser Zeit in der Evangelischen Studentengemeinde, sowohl der ESG. Als Student schloss ich die erste Ehe mit der Schülerin Ulrike und wurde 1976 Vater unserer Tochter Lena in Spandau.

Gemeindevikar in Kladow

Mein Gemeindevikariat erlebte ich im dörflichen Kladow bei Pfarrer Jürgen Rosche. Mehr Handwerker als Theoretiker hielt er wenig davon, mein theologischer Mentor zu sein. Er zeigte und erklärte mir alles und ließ mich das Pfarrersein selber ausprobieren.  In der schmucken Kladower Kirche oberhalb der Dampferanlegestelle lernte ich Gottesdienst halten und Predigen. Ich freundete mich auch mit der EKU-Agende und der Liturgie an. Die Kirchenmusikerin Rhea Weiße ermutigte mich zum Singen und übte mit mir an der Orgel und vor dem Altar. Ich bin ihr dankbar gefolgt. Sie half mir, meine Stimme zu entdecken und ihr zu vertrauen. Der Musiklehrer meiner Schule hielt mich für absolut unmusikalisch, ich wäre ein „amusischer Typ“. Vom Sommer 1979 an traute ich mich, vor vielen Menschen zu singen, im Gottesdienst und bald auch in einer Rock-Band.

Pastor im Hilfsdienst – in Rixdorf

Im Oktober 1981 wurde ich von Bischof Martin Kruse ordiniert und begann als Pastor im Hilfsdienst in der Ananias-Gemeinde im Böhmischen Dorf in Neukölln. In dieser kleinen aktiven Gemeinde habe ich meinen Hilfsdienst abgeleistet und Pfarrer Walter Fleischmann unterstützt. Neben dem allgemeinen Pfarrdienst und dem Konfirmandenunterricht war ich für die Senioren zuständig. Highlight war eine Gemeindereise für alle Altersgruppen nach Süd-Kalifornien zu unseren Partnern der United Church of Christ. So viele Begegnungen an einem Dutzend Orte, Grußworte, Predigten, alles auf Englisch. Es war eine großartige Reise durch den „american way of Gemeindeleben“.  

Beim Superintendenten in Wilmersdorf

1985 war ich einige Monate Aushilfe im Kirchenkreis Wilmersdorf, gleichzeitig suchte ich mir „meine“ Gemeinde, ich fand sie in Lichterfelde Ost. Oberkirchenrat Dietrich Wewerke hat meine Zeit als Hilfsprediger nach dem Vikariat freundlich begleitet und mich immer wieder gut beraten. „Kennen Sie die Petrusgemeinde Lichterfelde Ost? Ich denke, das wäre genau die richtige Gemeinde für Sie!“ Ich sah mir die Gemeinde an, lernte die beiden residierenden Pfarrer Rolf Reisert und Dr. Eberhard Scherer kennen. Ich verabredete Gespräche mit allen Ältesten des Gemeindekirchenrates. Im Herbst war mir klar, dass ich nach Lichterfelde kommen möchte. Ich hielt meinen Vorstellungsgottesdienst und bekam bei einer Sitzung des Gemeindekirchenrates mit OKR Wewerke den Auftrag zum Pfarrdienst.  Dort begann ich am 1. Dezember 1985 noch als Pastor im Hilfsdienst, denn die Pfarrstelle musste erst noch frei werden.

Hochzeit und Familie

1988 heirateten Lutz und Dr. Sibylle Poetter in der Petruskirche und feierten Hochzeit in der Holzkirche. 1989 wurde unser Sohn Justus geboren, 1992 kam unser zweiter Sohn Jonas zur Welt. 1994 zogen wir von Schöneberg nach Lichterfelde Ost, eine Pfarrwohnung war frei geworden im Pfarrhaus und die Residenzpflicht erforderte den Umzug. 1994 kamen zur Jugendarbeit zwei weitere Arbeitsbereiche in eine Verantwortung: Kulturarbeit und Seniorenarbeit.

Letzter Petrus Pfarrer

Im Januar 1998 blieb ich nach dem Ruhestand meines letzten Pfarrkollegen der einzige Petruspfarrer. Die Petrusgemeinde war zu groß für eine Einzelpfarrstelle, die Personalmittel zu knapp für ein Weiterso. Mein Kollege in Giesensdorf sah es auch so. Mit den beiden Gemeindekirchenräten entwickelten wir einen Plan: Wir würden fusionieren. Zuerst brauchten wir einen einzigen gewählten Gemeindekirchenrat als Leitungsgremium. Dann ein Fusionskonzept für die neue Gemeinde Petrus-Giesensdorf. Wir würden das Pfarrhaus verkaufen und mit dem Geld die beiden Gemeindehäuser modernisieren. Die Hälfte der Kleingärten am Pfarracker, am Pfuhl und Wienroder Pfad sollten als Bauland verkauft werden und mit privaten Häusern bebaut werden. Wir würden später einmal viel Geld brauchen für die Petruskirche und den Neubau des Gemeindezentrums Celsiusstraße. Der Wiederaufbau der Holzkirche kam voran. Der Kirchenkreis unterstützte uns und schickte eine Pfarrerin aus Lankwitz nach Lichterfelde. Wir waren nun zu dritt: Susanne Peters-Streu, Dr. Peter Neumann und ich.

Pfarrer im Ruhestand

Im April 2016 wurde ich im Gottesdienst vom Superintendenten und der Gemeinde in den Ruhestand verabschiedet, vom aktiven Pfarrdienst in Petrus-Giesensdorf entpflichtet und von der Residenzpflicht entbunden. Ich bin seitdem ein freier Mann. Superintendent Thomas Seibt erinnerte mich daran, dass ich als Diener der Kirche weiterhin an mein Ordinationsgelübde gebunden bleibe. Ich soll auch im Ruhestand das Evangelium verkündigen, Gottesdienst halten, taufen, trauen und beerdigen. Für meine aktiven Kollegen in Petrus-Giesensdorf springe ich ein als Vertretung. Ab und zu habe ich Artikel für den Gemeindebrief „Der Schlüssel“ verfasst. Vielleicht werde ich das auch in Zukunft tun, einen Nachruf schreiben oder einen Beitrag über einen Bluesmusiker zu den Jazz- und Bluestagen in der Petruskirche. Und ich bin immer noch offen für Anfragen von Menschen, denen ich als Pfarrer begegnet und nahegekommen bin. Manche Begegnungen wirken lange nach. Und noch bin ich rüstig, den einen oder anderen Dienst zu übernehmen, in Freude und Trauer.

Kindheit & Jugend

Ich wurde 1952 in Berlin-Zehlendorf geboren als Sohn des Studentenehepaares Helmut und Eva Poetter. 1954 kam meine Schwester Karin zur Welt. Ich wuchs in Schlachtensee auf, bis ich acht Jahre alt war. Danach wurde Hessen meine zweite Heimat, Schloss Bieberstein in der Rhön, danach Dreieichenhain zwischen Frankfurt und Darmstadt. Nach dem Abitur verließ ich Hessen wieder. Ein missionarisches Jahr beim „Heißen Draht“ - einer freikirchlichen Jugendorganisation - schloss sich an in Northeim.

Vikar am Praktisch-Theologischen Ausbildungsinstitut

Nach dem Examen begann am 1. April 1979 mein Vikariat bei der EKiBB(Berlin-West). Die Einführungsphase im Praktisch-Theologischen Ausbildungsinstitut in der Schopenhauerstraße in Nikolassee galt der Theorie kirchlichen Handelns und der Suche unserer Einsatzorte. Wir ließen derweil unsere Talare anfertigen. Unser Jahrgang bestand aus fünf Vikaren, vier aus Berlin und ein Gastvikar. Wir nannten uns spöttisch „die Pfarrerschwemme“, unser Hauptgesprächspartner im PTA war Gerhard Bauer als theologischer Leiter. Rainer Godel lehrte Kirchensoziologie, Dieter Nilse Religionspädagogik.

Spezialvikar bei BMW in Spandau

Mein religionspädagogisches Vikariat erlebte in der Luthergemeinde Spandau Neustadt. Schwerpunkt war der Konfirmandenunterricht, den ich bei Pfarrer Francois von der Heyden lernte. Luther Spandau im Brennpunkt Neustadt stand für ein großes sozialdiakonisches Engagement mit einer lebendigen Kinder- und Jugendarbeit, die sich an alle im Kiez richtete.

Dazwischen lagen neun Monate Spezialvikariat, in der ich die Verbindung von Kirche und Arbeitswelt erkunden wollte. Ein Vierteljahr arbeitete ich als Lackierer im BMW-Motorradwerk Spandau, dem Ursprungsort der von mir geschätzten Motorräder. Ich selbst besaß eine R90/6 von 1973, im Werk erlebte ich, wie die Strich-Sieben-Modelle oben vom Band liefen, vor allem R100RS und R100S. Ich arbeitete unten in der Elektrischen Tauchlackiererei, wo die rohen Rahmen ihre schwarze Farbe bekamen, im Ofen getrocknet wurden und noch warm über ein haushohes Fördergerüst zur Montage nach oben schwebten. Ich bin dem Amt für Industriearbeit dankbar für seine Vermittlung, dass ich als diese Erfahrung bei BMW als Schichtarbeiter in der Industrie machen durfte. Einige meiner Maßstäbe und Auffassungen als studierter Geisteswissenschaftler wurden dadurch zurechtgerückt. Gerne berichtete ich meinen Vikarskollegen von meinen Erfahrungen als Industriearbeiter.  Es gab aber immer ein großes Missverständnis, wenn ich unter Kirchenleuten von BMW sprach: „Sie arbeiten beim BMW – in Spandau? Das Berliner Missionswerk ist aber doch in der Handjerystraße in Wilmersdorf?!“

Sechs Monate kirchliche Praxis im Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit erlebte ich beim Handwerkskollektiv des Evangelischen Jugendhilfe Vereins in Steglitz.

…. und in Wannsee

Helmut Michel war 1983 Pastor in Wannsee, er holte mich als zweiten Mann dorthin. Wir waren schon die zweite Generation Hilfsprediger in Wannsee, beide amtierenden Pfarrer waren erkrankt. Die Dorfkirche in Stolpe ist ein Schmuckstück des Hofarchitekten August Stühler. Die Andreaskirche oben am „Berg“ in der Villenkolonie Alsen repräsentiert die Bachsteingotik des letzten Kaiserreiches. Ihr Schatz ist die Orgel des namhaften dänischen Orgelbauers Christensen. Die Erwachsenenarbeit der Gemeinde erreichte hohes theoretisches Niveau zu Fragen von Kirche, Wissenschaft und Gesellschaft. Es gab viele Kinder und Jugendliche in der Gemeinde, Kinderarbeit, Konfirmandenunterricht und Jugendarbeit gediehen prächtig im Gemeindehaus Schuchardtweg und im Jugendhaus Königsstraße.  Gerne denke ich an die gemeinsamen Konferfahrten mit Helmut Michel. Im Sommer startete ich eine Jugendreise: Per Rad und mit Zelten drei Wochen quer durch Schleswig-Holstein.

Pfarrer der Petrusgemeinde in Lichterfelde Ost

Mein erstes großes Fest war Weihnachten 1985 in der Petruskirche. Nach Ostern 1986 hatte ich meine ersten Konfirmanden, 56 in vier Gruppen. In Tschernobyl explodierte ein Atomreaktor und verseuchte Luft und Boden in weiten Teilen Europas, auch in Berlin.

1986 erhielt ich nach dem Start als Pastor im Hilfsdienst meine erste Pfarrstelle an der Petruskirche. Der Superintendent führte mich am Sonntag Rogate in mein Amt ein. Die Jugendarbeit und die Gemeinwesenarbeit in der Holzkirche und die „Offene Kirche“ faszinierten mich. Hier wollte ich gerne Jugendpfarrer sein und in der Petruskirche predigen, Abendmahl feiern, Paare trauen, Kinder taufen Jugendliche konfirmieren und Trauerfeiern halten. Diese Kirche aus dem Kaiserreich mit ihrem Kirchencafé, den Kunstausstellungen und Kulturveranstaltungen entsprach genau meinem Bild: Vielfältig, offen einladend und anregendend für Gemeindeglieder und Kiezbewohner.

Brand in der Holzkirche

Der Brand der Holzkirche im Juli 1996 war ein heftiger Einschnitt. Am schlimmsten waren der Neubau betroffen, Saal und Foyer brannten völlig aus. Die stolze Holzkirche, die immer wie eine kleine Ausgabe der Philharmonie wirkte war nur noch eine Brandruine. Und der Wiederaufbau war zunächst umstritten.

Pfarrer der Gemeinde Petrus-Giesensdorf

 Im Januar 2000 startete die Kirchengemeinde Petrus-Giesensdorf ins Millenium.

Schon seit 1998 kam eine weitere Kirche in meinen Blick: Die Giesensdorfer Kirche gegenüber dem Gemeindehaus am Ostpreußendamm. Die nach dem Krieg wieder aufgebaute Dorfkirche hat eine wunderbare Atmosphäre und Akustik. Klein und schlicht bietet sie Nähe und Konzentration zum frühen Gottesdienst um 9.30 Uhr. Danach geht es zum 11-Uhr-Gottesdienst in die Petruskirche. So hatten wir es verabredet: Der Sonntagsgottesdienst findet nacheinander in beiden Kirchen statt. Pfarrer*in und Organist machen einen fliegenden Wechsel von Giesensdorf zum Oberhofer Platz. Nur einmal im Monat ist das Gemeindezentrum Celsiusstraße Gottesdienstort.

Am 8. Mai 2001 erlebte ich ein echtes Wunder an der „Säule der Gefangenen“ in der Wismarer Straße mit überlebenden ehemaligen Häftlingen des KZ-Außenlagers Lichterfelde. Ihre Teilnahme an der Einweihung des Gedenksteins, ihre Bereitschaft zur Versöhnung und einem neuen Blick auf das aktuelle Lichterfelde beim Abend der Begegnung in der Petruskirche war überwältigend. Es wurde der Auftakt zu einer jahrelangen Wiederholung der Begegnungen am Tag der Befreiung durch die Initiative KZ-Außenlager Lichterfelde.

Glanzpunkte für mich als Kulturpfarrer waren die wechselnden Kunstausstellungen, die der Kunstbeirat plante und die Kulturveranstaltungen hauptsächlich in der Winterkirche mit der Kulturgruppe. Besonders erfreuten mich die Blueskonzerte, die wir über das Jahr verteilten und alljährlich im März zu den Jazz- und Bluestagen konzentrierten. Ab und zu wurde ich mit meiner Bluesharp auf die Bühne eingeladen.

Ein großes Projekt war die Neugestaltung des Altarraums der Petruskirche mit der Wiederherstellung der Rosette. Aus dem Wettbewerb ging der Künstler Lukas Derow mit seinem Entwurf als Sieger hervor. Der neue Altarraum wurde der Auftakt zur Erneuerung der gesamten Petruskirche mit Kirchenschiff, Empore, Winterkirche und Eingang. Hier sollte in Zusammenarbeit mit Lukas Derow  weiter geplant und die Pläne weiter verwirklicht werden. Ich freute mich, diese Arbeiten möglichst noch in meiner Amtszeit als Pfarrer in Lichterfelde zu erleben und zu begleiten. Das neue Innenkonzept braucht allerdings mehr Geld und Zeit als damals erwartet, es ist 2021 immer noch in Arbeit.